Seit fast zehn Jahren arbeite ich mit Sabine Fischer bei unterschiedlichen Gelegenheiten zusammen – das tun wir auch in der „Corona-Virus-Krise“. Als Einzelunternehmerinnen und Mütter erleben wir die Veränderungen auf allen Ebenen und wollen mit unseren Erfahrungen andere ermutigen.
Statement Sabine
„‘Ein Flugzeug im Fliegen bauen,‘ ist ein Vergleich, den ich schon oft in meinem Leben für überraschende Situationen, die gelöst werden müssen, verwendet habe. Eine so viele Bereiche des Lebens umfassende Instabilität wie in der „Corona-Virus-Krise“ kenne ich nur aus den Kriegs-Erzählungen meiner Großeltern. Ihre Tipps und meine persönlichen Erfahrungen beim Bewältigen von Unternehmenskrisen haben mich gelehrt: Jetzt gilt es Achtsamkeit, einen Ruhepol und Klarheit zu bewahren.“
Interviewfrage: Alle suchen jetzt die Resilienz. Kann eine Person oder ein Unternehmen von jetzt auf gleich „resilient“ werden?
Gerne wird jetzt der Resilienz-Begriff benützt, um zu zeigen, worauf es in dieser Krise ankommt: Trotz aller Unsicherheiten die nötige Flexibilität und Zukunftsorientierung aufzubringen, um als Unternehmen zu überleben. „Staying steady on fluid ground“ wie es im Englischen so treffend heißt.
Erinnern Sie sich an jenen Piloten eines schadhaften Linienflugzeuges, der dieses sicher auf dem Hudson River aufsetzte? Das war eine Corona-Virus-Krisen-Situation im Kleinformat! Ein Flugzeug voller ängstlicher Menschen, die einander ausgeliefert waren.
Wäre dort einer in Panik geraten und hätte sich nicht an die Regeln gehalten, dann hätte es sehr viel wahrscheinlicher keinen Überlebenden gegeben. Der Pilot musste besonders diszipliniert vorgehen: Vollkommene Achtsamkeit für alle Informationen, die ihm zur Verfügung standen, sich selbst und alle anderen beruhigen und klare evidenzbasierte Entscheidungen fällen.
Das können Sie nur dann von jetzt auf gleich machen, wenn Sie es
vorher geübt haben und wenn Sie die wesentlichen Grundvoraussetzungen dafür
haben:
Eine stabile Persönlichkeit und eine zumindest halbwegs funktionierende
Infrastruktur. Mit einer zerschossenen Maschine fällt der beste Pilot wie ein
Stein vom Himmel.
Interviewfrage: Was sind also die wesentlichen Faktoren, die ein Unternehmen resilient machen?
Vom Ein-Personen-Unternehmen bis zum Großunternehmen brauchen Sie drei Ressourcen-Pakete:
- Evidenzbasierte, verlässliche Informationen
- Eine Infrastruktur, die Ihnen Handeln ermöglicht
- Eine Haltung, die von Offenheit für Neues und einer hohen Reflexionsfähigkeit mit der nötigen Flexibilität und Gelassenheit bei Fehlern einhergeht.
Je größer das Unternehmen ist, desto mehr dürfen diese Ressourcen nicht nur in der Führungskraft, sondern müssen auch in der Organisationsstruktur veranlagt sein.
Interviewfrage: Warum ist die Organisationsstruktur ebenso wichtig wie die Führungskraft?
Organisationsstrukturen legen Abläufe, Besprechungskreise und Verantwortungen fest. Das einfachste Beispiel dafür ist der Zugang zu Büromaterial: Wie muss ich vorgehen, damit ich neues Büromaterial erhalte, wer ist dafür verantwortlich, wen kann ich da fragen? Dabei können neben den formalen Strukturen die informellen wirklich entscheidend sein, wie jeder von uns aus eigener Erfahrung weiß. Beide geben den Menschen in der Organisation Orientierung und ermöglichen effizientes und zielgerichtetes Handeln.
In kleinen, überschaubaren Organisationen, in denen jeder jeden kennt, leisten diese Orientierungsarbeit häufig nur einzelne Personen, z.B. die InhaberInnen, weshalb Widersprüche relativ selten sind. Diese Gefahr steigt mit zunehmender Größe von Organisationen: Mehr Menschen müssen, ohne sich täglich abstimmen zu können, „an einem Strang ziehen“, damit die Organisation funktioniert. Dies wird durch für alle gültige Richtlinien und eine diesen entsprechenden logischen Strukturaufbau erreicht.
Organisationen scheitern, wenn ihre Organisationsstruktur nicht ihren eigenen Richtlinien und Vorgaben entsprechen. Denn wenn Menschen keine Orientierung haben, handeln sie eher nicht im Sinne eines gemeinsamen Ziels, sondern im Eigeninteresse. Gerade in Krisensituationen endet das tödlich – selbst, wenn es eigentlich genug materielle Ressourcen für ein Überleben gegeben hat.
Interviewfrage: Können Sie diese Zusammenhänge anhand eines Beispiels erklären?
Die Passagiere des amerikanischen Linienflugzeuges, das der Pilot am Hudson River landen wollte, hatten das gemeinsame Ziel des Überlebens. Und der Pilot hat ihnen ganz klar erklärt, was sie dazu tun müssen: Ruhe bewahren und die Anweisungen der Crew einhalten. Diese Anweisungen kannten die Menschen vom Beginn des Fluges. Und der Pilot kannte die ganze Gefahren-Situation von vielen, vielen Übungen am Flugsimulator.
Somit waren zwar alle mit einer unangenehmen und überraschenden Situation konfrontiert, aber einiges daran war ihnen bekannt. Das hat es allen erleichtert, sich bei aller Flexibilität an bestimmte Verfahren zu halten. Und so haben sie gemeinsam ihre Überlebenschancen wesentlich erhöht.
Interviewfrage: Was bedeutet das nun für Unternehmen in der derzeitigen Corona-Virus-Krise?
Erstens: Ihre Überlebenschancen steigen, je besser Ihre digitale Infrastruktur ausgebaut ist und je mehr „Notfallspläne“ Sie in der Schublade haben. Falls Sie hier jetzt schmerzlich Mängel feststellen, bleiben Sie ruhig und gehen Sie weiter zum nächsten Punkt. Es hilft gerade in Krisen nicht, „über verschüttete Milch zu klagen“, wie meine Großmutter immer sagte.
Zweitens: Suchen Sie gezielt nach jenen Bereichen, in denen Sie persönlich durch Handeln wirken können, holen Sie dazu möglichst viele Informationen ein, erstellen Sie Schritt für Schritt einen konkreten Plan und klare Handlungsanweisungen für sich und Ihre MitarbeiterInnen und halten Sie sich daran wie unser Flugzeug-Pilot vom Hudson River.
Drittens: Schaffen Sie „Ruhezonen“, in denen Sie „Business as usual“ machen. Damit schaffen Sie für sich und Ihre MitarbeiterInnen und KundInnen in all der Hektik einen Raum zum Durchatmen, weil sich hier jeder auskennt. Menschen können mit Veränderungen besser umgehen, wenn einige vertraute Abläufe bleiben, wie sie immer waren.
Interviewfrage: Wie helfen diese Tipps auch den jetzt so massiv geforderten Familien?
In vielen Familien ist jetzt die Infrastruktur, z.B. durch enge Raumsituationen und die schlechte private Computer-Ausstattung, ein großes Problemfeld, das man oft nicht ändern kann.
Hier ist es ganz besonders wichtig, klare Raumaufteilungen – wer kann wann den Küchentisch alleine zum Arbeiten nützen? – und auch individuelle Rückzugszonen zu schaffen. Diese „persönlichen Ruhezonen“ können z.B. auch durch ungestörtes Musikhören per Kopfhörer hergestellt werden. Es ist wichtig, gerade auf engem Raum zumindest psychisch Abstände einzuhalten und so allen „Luft zum Atmen“ zu geben.
Wie in den Unternehmen ist es auch in den Familien wichtig, das gemeinsame Ziel zu benennen und den Weg dorthin immer wieder zu besprechen und gegebenenfalls anzupassen. Suchen Sie dabei gezielt nach dem, was gut gelingt und versuchen Sie diese Punkte im Alltag zu verstärken. Seien Sie dabei offen für Neues und schaffen Sie Abwechslung auch durch bewusste Neugestaltung von Abläufen – wenn diese zu lustigen Situationen führen, dann haben Sie durch das gemeinsame Lachen viel gewonnen 😊
Vielleicht hilft es manchen Erwachsenen, dass sie in dieser schwierigen Situation auch zuhause alles, was sie in Kommunikationstrainings gelernt haben, z.B. aufmerksames Zuhören, respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe und Gelassenheit, wenn Fehler passieren, anwenden dürfen.
Und bedenken Sie: Sie sind nicht alleine! Die meisten von uns „bauen gerade ein Flugzeug im Fliegen“. Seien Sie eine flexible und motivierende Führungskraft – für sich selbst und die Menschen in Ihrem Umfeld! Damit steigern Sie die Resilienz in Ihrer Familie und in Ihrem Unternehmen am besten.
Dr. Sabine M. Fischer, Certifed Supervisory Expert, SYMFONY Consulting, ist Wirtschaftspädagogin, Human Factor-Unternehmensberaterin und Sprecherin des Arbeitskreises Industrie 4.0/IoT.
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